Es ist unangenehm, es schränkt den Alltag ein, es grenzt aus und ist zudem auch nicht immer ganz ungefährlich: Unternehmungen mit einem reaktiven Hund an der Leine – die sogenannte „Leinenaggression“ zeigt sich jedes Mal, wenn man einem anderen Hund an der Leine begegnet. Von bellen, in die Leine springen bis Frauchen / Herrchen mitzureißen ist, sozusagen, alles möglich.
Neben dem Blick auf den gestressten Hund, ist es zudem verständlich, dass die Gassitouren nicht (mehr) zur Entspannung genutzt werden können, sondern ein „Spießroutenlauf“ werden und man sich von einigen anderen Menschen unverstanden fühlt.
Zudem kommen wir Menschen oft in einen Zwiespalt mit unserem Vierbeiner: an „sicheren Orten“ ist er der liebste Hund der Welt, draußen an der Leine ein kleines (oder großes) Monster den Artgenossen gegenüber.
Bedenken sollten wir zudem die Gesundheit des Hundes: der andauernde Stresspegel und / oder Ängstlichkeit können zu einem tierschutzrelevanten Ausmaß ansteigen.
Auch wenn es manchmal schwerfällt: vergiss bitte nicht die gemeinsamen schönen Momente und die tollen Eigenschaften Deines Vierbeiners!
Wenn der Leidensdruck gefühlt zu groß wird, neigen wir Menschen dazu, den Hund mit seinem „Problemverhalten“ gleichzusetzen. Es ist natürlich auch fahrlässig, das „Problemverhalten“ zu ignorieren – die „goldene Mitte“ zu betrachten sollte auch hier das Ziel sein.
Warum macht mein Vierbeiner das (plötzlich)?
Manchmal können konkrete Auslöser genannt werden, wie zum Beispiel ein vergangener Angriff eines Artgenossen an der Leine. Wenn der Hund zuvor aversive (erschreckende) Trainingsmethoden kennengelernt hat, kann es sein, dass diese mit einem anderen Artgenossen, der an der Leine entgegenkam, verknüpft wurde. Gerade solche Methoden führen oftmals, je nach Hundecharakter, im Endeffekt zu einer Gewaltspirale – sofern man sich nicht irgendwann mit einem Verhalten „abfindet“. Zudem schaffe ich als Mensch mit solchen Methoden und Hilfsmitteln kein produktives Lernklima.
Es gilt jedoch auch abzuklären, ob irgendwelche gesundheitlichen Einschränkungen vorliegen bei einer Verhaltensänderung – spätestens dann, wenn bei regelmäßigem Training keine Fortschritte erkennbar sind. Nur weil mein Hund immer wieder freudig seinem Bällchen hinterläuft oder einen Hasen jagen würde, heißt das nicht, dass der Vierbeiner wirklich gesund ist! Hunde sind Meister darin, Schmerzen zu kaschieren.
Oftmals kann man jedoch keinen konkreten Auslöser benennen, gesundheitlich ist alles in Ordnung und dennoch zeigt der Vierbeiner reaktives Verhalten an der Leine. Zudem ist nicht immer alles aus der bisherigen Vergangenheit des jeweiligen (Tierschutz-)Hundes bekannt. Hier ist es wichtig, nach vorne zu blicken – wenn man nur über Ursachen spekulieren kann, kümmert man sich besser um die ersten möglichen Management- und Trainingsschritte.
Insbesondere unsichere und / oder ängstliche Hunde können an der Leine (auf den ersten Blick) sehr deutlich „gegen den Artgenossen“ agieren wollen. Ein detaillierter Blick auf die Körpersprache zeigt jedoch oft, dass der Hund sich selbst in einem Konflikt befindet und sich sozusagen „selbst im Weg steht“. Er kennt kein sinnvolles Alternativverhalten und hatte mit der „Leinenpöbelei“ immer Erfolg, denn alle anderen kommen nicht zu nah.
Erste Analysen zum Lösungsansatz
Auch bei der „Leinenaggression“ kann niemand einen Zauberstab schwingen und der Vierbeiner findet danach alle Artgenossen auf den Gassitouren toll – leider… Eine Verhaltensänderung ist weder ein Schnupfen, der vergehen kann, noch kann sich ein aufgebautes Verhalten innerhalb weniger Tage ad hoc um 180 Grad verändern.
Umso wichtiger ist es, sich zunächst einige grundsätzliche Fragen im Hundealltag zu beantworten – auch wenn diese auf den ersten Blick nichts mit dem auffälligen Verhalten zutun haben:
- Ist gesundheitlich wirklich alles in Ordnung?
- Sind die grundlegenden art- und typgerechten Bedürfnisse des Hundes befriedigt?
- Hat der Hund ausreichend Schlaf, Entspannungsphasen und Ruhe?
- Ist der Hund ausgelastet – sowohl mit körperlicher als auch mit geistiger Beschäftigung?
- Wo bzw. wann ist der Hund gestresst / unsicher / ängstlich im sonstigen Alltag?
- Wie sehr orientiert sich der Hund an seinem Menschen?
- Wie gut klappt es mit dem allgemeinen Grundgehorsam?
- Gibt es feste Spielregeln für den Hund, sodass der Mensch verlässlich für ihn ist?
Managementmaßnahmen – die unerlässlichen Veränderungen
Ich komme als Mensch nicht drum herum, zumindest eine zeitlang die Umstände so anzupassen, dass der Hund kaum noch eine Möglichkeit bekommt, das unerwünschte Verhalten zu zeigen!
Das klingt am Anfang sehr kompliziert: andere Gassitouren wählen, den Hund nicht immer mitnehmen zu können….
Jedoch lernt der Vierbeiner ja nicht nur, wenn ich sage „jetzt ist Trainingszeit“, sondern auch im Alltag. Wenn ich unter Anleitung ordentlich trainiere, im Alltag jedoch alle 10 Hundebegegnungen am Tag mit Krawall ablaufen, stimmt das Verhältnis des Lernerfolgs nicht. Dann kann sich ein Verhalten nicht oder nur nach sehr langer Zeit und mit sehr viel Mühe wirklich nachhaltig ändern.
Je nach Vierbeiner können weitere Managementmaßnahmen etabliert werden, beispielsweise:
- Abwenden vom entgegenkommenden Artgenossen und eine Futtersuche an einem fixen Punkt
- Target (Zielobjekt) fixieren (z.B. Nase an Hand, sog. „Handtouch“)
- Apportierfreudige Hunde können etwas tragen (Spielzeug, Apportel…)
Wichtig ist im Hinterkopf zu behalten, dass dies alles kein direktes Training darstellt, sondern als „Erleichterung im Ernstfall“ zu bewerten ist und eben die Grundlage bildet, auf der man eine Verhaltensänderung aufbauen kann.
Wenn all diese Grundlagen analysiert bzw. etabliert sind, kommen wir zum wichtigsten Teil:
Das Training, das eine Verhaltensänderung möglich macht
Im Folgenden gibt Dir Bero´s Helden gern einen „groben Fahrplan“ hierzu an die Hand inkl. verschiedener Gedankenanstöße:
- Denk an das große Thema der Stimmungsübertragung! Wie fühlst Du Dich bei einer Hundebegegnung? Was kann Dir selbst helfen – der Blick in die Ferne oder die Konzentration auf den eigenen kleinen Finger? Über die Leine sind wir gewisser Weise mit unserem Vierbeiner verbunden – er merkt z.B. auch Deinen festeren Griff in die Leine.
- Was sind die Auslöser? Wirklich „alle“ Artgenossen? Nur ein bestimmtes Erscheinungsbild? Hündinnen oder Rüden?
- Was verstärkt das Verhalten meines Hundes? Meine eigenen Versuche, ihm gut zuzureden oder böse zu sein? (Der Hund erhält in beiden Fällen Aufmerksamkeit, was regulär ein machtvoller Verstärker darstellt!) Geht der andere Hund weg? Wird mein Hund angesprochen?
- Da Verhalten immer eine Funktion erfüllt: Welches Alternativverhalten hilft meinem Hund dieselbe Funktion zu erfüllen anstatt „Leinenaggression“ zu zeigen?
Rahmenbedingungen für das Training:
- Wir kennen die Auslöser und nutzen diese für das Training
- geeignete Helfer finden
- An die Sicherheit denken (eigene Sicherheit / Helfer / Unbeteiligte)
- Hilfsmittel wie Maulkorb, doppelte Leinensicherung, Halti…
- Körpersprache des eigenen Hundes kennen
Die ersten Schritte:
- Souveränes Mensch-Hund-Team (= Helferteam) positioniert sich
- Trainingsteam positioniert sich hinter der sog. „Schwelle“ (= Abstand zum Helferteam, wo noch keine Reaktion gezeigt wird)
- Trainingsteam auf das Helferteam zu
- Beim ersten Anzeichen des unerwünschten Verhaltens wird sofort die Bewegung gestoppt (- nicht erst, wenn der Hund schon „in der Leine hängt und bellt“)
- Mensch atmet tief durch und beobachtet seinen Hund
- Sobald der Hund ein Alternativverhalten (Blick abwenden genügt am Anfang) zeigt:
- (Markerwort / Clicker)
- Mensch dreht zusammen mit dem Hund um und geht in die entgegengesetzte Richtung
- (Abstand groß genug: „Highlight – Belohnung“ geben)
Weitere Trainingsschritte:
- die „Schwelle“ verschiebt sich immer näher zum Helferteam hin …
…. bis das Trainingsteam vorbeigehen kann
- Weitere Optionen des Helferteams:
- kleine Bewegungen
- schnellere Bewegungen
- kreuzt den Weg
- kommt entgegen
- Parallelgang mit beiden Hunden
Bei jeder Option immer wieder aufs Neue auf genügend Abstand (die „Schwelle“) achten!
Die besonderen Feinheiten im Training:
- Was benötigt DEIN HUND als „Feinheit“, damit ihr (schneller) zum Erfolg kommt?
- auf der vom Helferteam abgewandten Seite geführt werden?
- Aktion nach der Passage des Helferteams (z.B. etwas apportieren….)?
- ist es für Deinen Hund einfacher, wenn er sich den anderen Hund / das andere Team „angucken“ darf?
- Kannst Du das entspannte Anschauen noch belohnen?
Und: Was benötigst DU am „anderen Ende der Leine“?
WICHTIG!!!!
Achte bitte unbedingt darauf, wie lange alle beteiligten Vierbeiner tatsächlich mitarbeiten können! Alle möglichen Begegnungsoptionen der Artgenossen werden nicht innerhalb einer Trainingsstunde oder an einem Tag „abgearbeitet“ und verändert werden können!
Wenn die Konzentration und / oder Impulskontrolle Deines Hundes sich gen Ende neigt, muss diese Trainingseinheit beendet werden. Gib Deinem Hund im Anschluss die Chance, das gelernte mit Ruhe zu verarbeiten, bevor die nächste Trainingseinheit gestartet wird!
Wie kann Bero´s Helden Dir und Deinem Vierbeiner helfen?
- Einzeltraining mit gemeinsamer Grundlagenforschung, individueller Besprechung von möglichen Managementmaßnahmen sowie ggf. Training zum Tragen des Maulkorbs / Haltis – auch Online möglich.
- Einzel- oder Duotraining mit Attrappe und / oder einzelnem Helferteam
- Begegnungstraining zusammen mit verschiedenen Mensch-Hund-Teams (max. vier Teams, nächstmöglichen Termine gerne direkt anfragen)
- Workshop Begegnungstraining (mehrere feste Termine im zweiwöchigen Rhythmus mit verschiedenen Mensch-Hund-Teams, nächster Start gerne direkt anfragen)